Herbert Berger Lesebuch
- Autor
- Herbert Berger
- Herausgeber
- Walter Gödden
- VÖ-Datum
- 21.08.2023
- ISBN
- 978-3-8498-1894-4
- Verlag
- Aisthesis
- Bandnr.
- 126
- Auswahl
- Walter Gödden
Aus der Kategorie Kleine Westfälische Bibliothek
Herbert Berger Lesebuch
Der 1919 in Schlesien geborene Herbert Berger ist ein klassischer Arbeiterdichter und doch kein klassischer Arbeiterdichter. Er griff die Themen auf, die in den 1970er Jahren virulent waren (Aspekte der industriellen Arbeitswelt, Ausbeutung der Arbeitnehmer, soziale Diskriminierung …), fand darüber aber zu einem anderen, versöhnlichen Ton, der das private Schicksal seiner Protagonisten in den Vordergrund rückte. Berger war jahrelang in Ahlen Kumpel unter Tage und lernte auf diese Weise das Arbeitermilieu kennen. Seiner Wahlheimat setzte er 1974 in „Ich und meine Stadt“ (1974) ein Denkmal. Diese erste selbstständige Veröffentlichung des damals 55-Jährigen beinhaltet eine erste Lebensbilanz. Er lässt die Vertreibung aus seinem Heimatort Freiburg in Schlesien Revue passieren, die Stationen einer Flüchtlings-Odyssee, die seine Familie und ihn in ein kleines lippisches Dorf führte; seine ersten Jahre als Bergmann in Dortmund; den durch einen Zufall herbeigeführten Arbeitsplatzwechsel nach Ahlen; das Einleben in der Stadt; den allgemeinen politischen und beruflichen Strukturwandel, der sein Alltagsleben prägte; Freund- und Bekanntschaften; Orte und Begebenheiten seines täglichen Lebens. Beschrieben wird ein mühsamer sozialer Aufstieg, der nie zu Reichtümern führte, immerhin jedoch zu einem bescheidenen Eigenheim in der Ahlener Underdog-Siedlung „Mexiko“. Mit dem Eintritt ins vorgezogene Rentenalter entwickelte Berger eine ungemeine Produktivität. Mit seinem Buch „Drei Minuten täglich. Geschichten für jeden Tag“ (1983) und dem Nachfolgeband „Heiteres und Besinnliches“ (1984) schuf er Trostbücher für ‚jedermann‘. Sie bieten mit pädagogischem Anspruch Lektionen für die Bewältigung des normalen Alltags, sollten nachdenklich stimmen und zugleich unterhalten. Bergers Texte sind in hohem Maße authentisch. In dieser Hinsicht steht er in einer Reihe mit dem Moralisten Paul Schallück, mehr aber noch mit Josef Reding, der seine Laufbahn freilich ganz anders verfolgen und sie zu seinem Haupt-Lebenserwerb machen konnte. Eine solche literarische und mediale Präsenz war Herbert Berger weder vergönnt noch wird er sie angestrebt haben. Auch deshalb blieb er eine weithin verkannte Randfigur, die gleichwohl ein genaueres Hinsehen verdient hat. Herbert Berger bewegte sich mit dem, was er schrieb, stets auf sicherem Boden. Der Fundus, aus dem er schöpfte, waren seine persönlichen Erfahrungen, die er in stets neuer Variation literarisch verarbeitete. Berger war kein Kunstschriftsteller, kein Schreibartist. Experimentelles Schreiben war ihm fremd. Aber er besaß unzweifelhaft ein Talent zum Geschichtenerzählen. In dieser Hinsicht ist er ein volkstümlicher Erzähler ‚alter Schule‘. Dabei fällt angenehm ins Gewicht, dass er seiner distanzierten realistischen Schreibweise treu blieb und auf Pathos und Sentiment verzichtete.